Faktencheck zum Handbuch Weltuntergang

Das schmale Bändchen Handbuch Weltuntergang bildet gemeinsam mit dem 700-seitigen Handbuch Klimakrise und dem umfangreichen Handbuch Zukunft eine Trilogie, eine Einheit. Welches Buch wird sich rückblickend als das zutreffendste erweisen? Ich mag das Leben, ich mag Menschen. So hoffe ich inständig, dass es das Handbuch Zukunft sein wird. Anders als die meisten offensichtlich denken, haben wir Menschen eine Menge zu gewinnen. Zum einen, dass es überhaupt eine Zukunft gibt. Zum anderen ein ‚gutes Leben für alle‘, dass auf angstfreier Daseinsvorsorge, Zeitwohlstand und lebendigen Beziehungen beruht.

Marc Pendzich.

Klimaangst | faq | Faktencheck

Klimaangst.

Es ist zu keiner Zeit mein Anliegen, meinen Mitmenschen Angst zu machen o. ä. Gleichzeitig ist es so, dass die Wahrheit – auch die dramaturgisch aufbereitete wissenschaftlich basierte Wahrheit – zumutbar ist (wie Ingeborg Bachmann es ausdrückte).

Wenn Ihnen das „mit dem Klima“ etc. alles zu viel werden sollte, falls Sie übermäßig traurig sein sollten, Sie sich depressiv fühlen etc. pp. – die erste wichtige Botschaft lautet in diesem Fall: Sie sind damit nicht allein – es geht vielen Menschen so, auch wenn viele es sicher geschickt verbergen.

In meinem 700-seitigen Handbuch Klimakrise habe ich einen kurzen Abschnitt verfasst, der das Thema „Klimaangst“ zumindest anreißt:


FAQ: Glauben Sie, dass dieser Text Menschen, die bislang die Augen gut verschlossen hielten, dazu anregt, aktiv zu werden in Sachen ‚Klimakrise und Massenaussterben‘?

Nein, das wäre wohl die seltene Ausnahme. Es gibt zwei Gründe, die mich diesen Text schreiben ließen:

  • Es musste einfach mal raus. Auch ich habe meine Grenzen – und so nehme ich mir für die Länge und den Umfang eines Essays mal die künstlerische Freiheit, meinen Frust, meine Angst und mein Unverständnis rauszuhauen. Das hat gut getan – und seither schreibt und arbeitet es sich wieder leichter an anderen zukunftszugewandten Projekten.
  • Tatsächlich hat dieser Text eine Zielgruppe: Ich richte mich an diejenigen Menschen, die bereits von der Notwendigkeit des Handelns überzeugt sind, aber noch auf der Suche sind, sich sortieren müssen und ein wenig argumentative ‚Munitionierung‘, ähem, Unterstützung gebrauchen können. Voilà.

Und damit kommen wir zum:


Faktencheck.

Aspekte, die non-trivial sind und somit des Quellennachweises bedürfen:

– Stand: 14. Juni 2023 –

Eingangszitat „Sieben von acht Grenzen des Erdsystems sind überschritten“ von Johan Rockström, siehe


Eine Milliarde Überlebende von neun oder zehn Milliarden Menschen.

Bei einem ökologisch bedingten Zivilisationskollaps rechnen Klimaforscher:innen mit dem Tod der allermeisten Menschen – nicht aber mit einem kompletten Aussterben der Menschheit:

  • „Kevin Anderson considers that ‚a 4°C future [relative to pre-industrial levels] is incompatible with an organized global community, is likely to be beyond ‚adaptation‘, is devastating to the majority of ecosystems, and has a high probability of not being stable‘… He says: ‚If you have got a population of nine billion by 2050 and you hit 4°C, 5°C or 6°C, you might have half a billion people [=500 Mio] surviving‘“ (zit. in Dunlop/Spratt 2017, 5).
  • „Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung hält es für schwierig, dass unter solchen Bedingungen eine Bevölkerung von mehr als einer Milliarde Menschen überleben kann. Das entspricht der Vernichtung von 90 Prozent des menschlichen Lebens“ (Maxton 2018, 35).
  • Harald Welzer spricht ebenfalls von „eine[r] Milliarde Menschen vielleicht. Eher weniger“ (2016, 288).

Hier hakt auch Stefan Rahmstorf ein, der 2019 in der Zeit verlauten ließ:

  • „Viele Kollegen, die ich kenne, glauben, dass wir sowieso niemals auf vier Grad Erwärmung kommen würden, weil uns vorher die Wirtschaft zusammenbricht und die Welt in Konflikten versinken würde.“

Quellen:


Faktische Sklaverei.

  • Ein Mensch des globalen Südens, der täglich 14 Stunden in einem Sweatshop arbeitet, ist faktisch Ihr Sklave – auch wenn Sie sich nie begegnet sind. Das finden Sie übertrieben?

Die BWL-Professorin Evi Hartmann meint dazu:

  • „Wie soll ich das sonst nennen, wenn jemand für 50 Cent am Tag, 14 Stunden lang bei einer Bullenhitze von 60 Grad, ein günstiges T-Shirt für mich näht? Wir alle halten Sklaven – ich eingeschlossen.“ (Utopia 2016)

>> s.a. Handbuch Klimakrise, Abschnitte

Quelle:


Anteil Wind & Solar an der weltweit genutzten Endenergie = 1,8 %.

„Der Anteil von Wind- und Solarenergie am globalen Endenergie-Bedarf beträgt heute lediglich 1,8 %. Dazu der Physiker Dr. Wolfgang Lührsen: „Solar und Wind sind die einzigen skalierbaren, d. h. in größerem Umfang ausbaubaren Erneuerbaren Energieformen – auf sie müssen wir setzen. Und aktuell sind wir grotesk weit vom Ziel entfernt, die Menschheit mit zukunftsfähiger Energie zu versorgen.“

Die im September 2022 vorliegenden aktuellsten Zahlen stammen von 2019.

Transparenz durch Offenlegung: An dieser Pressemitteilung hat der Autor des hier vorliegenden Handbuch Welteruntergang als Co-Autor mitgewirkt.

Quelle:


Fachkräftemangel in Deutschland.

Die klimagerechte Wärmedämmung von Häusern ist eines der zentralen Themen, um in Deutschland Null-Emissionen erreichen zu können: Brauchen wir weniger Energie für Wärme, sind Null-Emissionen leichter/schneller durch den (bislang altmeierlich verschleppten) Zubau von Solar und Wind zu erreichen.

Hamburg hat im Bereich energetische Gebäudesanierung eine jährliche Sanierungsquote von 0,6 % (Aussage von Stadtentwicklungssenatorin Dorothea Stapelfeldt beim Stadtentwicklungs-/Umweltausschuss im Januar 2020.) (s. a. BUND Hamburg 2020).

Bereits bei dieser Sanierungsquote 0,6 % sind die Auftragsbücher aller regional ansässigen Fachkräfte prall gefüllt.

Laut der Stadtentwicklungssenatorin Stapelfeldt braucht Hamburg eine Sanierungsquote von 2,0%, um das 2020 gesetzlich verankerte Soll zu erreichen.

Daraus ergibt sich vereinfacht ausgedrückt eine sofortige und langjährige Verdreifachung des Auftragsvolumens – für dessen Umsetzung keine Fachkräfte vorhanden sind. (0,6 % x 3 = 1,8 d. h. gerundet 2)

Dieses im Hamburger Klimagesetz bzw. im entsprechenden Klimaplan verabschiedete 2,0 %-Soll ist durch das (wiederum unzureichende) zweite Klimaschutzgesetz der Bundesregierung Merkel bereits obsolet – und harrt der (bereits angekündigten) Nachbesserung.

German Zero fordert im Spätsommer 2021 von Hamburg eine Sanierungsquote von 3,0 % pro Jahr. Nehmen wir das angesichts der erforderlichen Nachbesserungen auf Basis des zweiten bundesdeutschen Klimagesetzes als neuen Richtwert, liegen wir bei einer Verfünffachung der erforderlichen Fachkräfte. (0,6 % x 5 = 3,0 %)

Hier geht es nicht um exakte Zahlen, sondern um die Darstellung der Dimension der Herausforderung. Und was hier für Hamburg dargestellt ist, dürfte in der Dimension für ganz Deutschland gelten.

Und es geht nicht nur um Wärmesanierung.

Allgemein steht Deutschland vor einem gigantischen infrastrukturellen Umbau durch Windkraft On- und Off-Shore, Sonnenenergie, Stromtrassen, Digitalisierung, Rückbau von alten Kraftwerken, Sanierung, Errichtung von sog. Klimadeichen, Wiederaufforstung, Moor-Wiedervernässung, Bahnsanierung & Ausbau, ungezählte Brückensanierungen – und viele dieser Projekte sind längst überfällig und bilden gemeinsam einen riesigen Sanierungsstau.

Das Wort „Fachkräftemangel“ ist eine absurde Untertreibung: Wir brauchen um ein Vielfaches mehr Fachkräfte als bisher.

Gleichzeitig gehen in diesen Jahren sehr viele Fachkräfte in den Ruhestand (vgl. Spiegel 2022).

Lehrstellen bleiben unbesetzt.

Non-akademische Berufsfelder bzw. „Draussen Arbeiten“ bzw. „Sich die Hände schmutzig machen“ etc. gelten in weiten Teilen der (jungen) Bevölkerung derzeit als unattraktiv.

Menschen angemessen auszubilden, dauert i.d.R. drei Jahre. Bis sie als Meister:innen einen eigenen Betrieb führen können, etwa noch einmal so lang.

Das bedeutet zusammengenommen:

Schon der Fachkräftemangel-bedingte Sanierungsstau für sich genommen gefährdet die Einhaltung des Pariser Abkommens durch Deutschland. (Handbuch Klimakrise, Abschnitt Energie)

Zur Behebung des Fachkräftemangels kann man sich – so wird gern vorgeschlagen – bemühen, Fachkräfte aus anderen Ländern anzuwerben. Kann man machen. Und das wird nicht reichen. Es geht hier um mehrere Millionen langjährige Beschäftigungsverhältnisse. Wir reden hier über die „Herkulesaufgabe“, ein Land mit 83 Millionen Einwohner:innen zu einem emissionsfrei funktionierenden Staat umzubauen. Innerhalb sehr kurzer Zeit.

Fazit: Über Geld wird sich das nicht regeln lassen.

Quellen:

Transparenz durch Offenlegung: In meiner Eigenschaft als Mitglied des Koordinierungskreises des Zukunftsrat Hamburg habe ich an der Entwicklung des o.g. Briefes von German Zero Hamburg mitgewirkt sowie auch an der gemeinsamen Presseerklärung von BUND Hamburg und Zukunftsrat Hamburg.


In Krisen sind Frauen besonders verletzlich (vulnerabel).

>> Handbuch Klimakrise: Frauen sind von der Biodiversitäts- und Klimakrise stärker betroffen als Männer

Menschen, die schon in krisenloser Zeit eher Benachteiligung und/oder Diskriminierung erfahren, sind in Krisen am ehesten und heftigsten betroffen: Frauen, Kinder, Alte, Menschen mit Behinderung…

Hinzu kommt die im Handbuch Klimakrise bislang noch unterbeleuchtete „intersektionale Diskriminierung“, d. h. die einzelnen Diskriminierungsanlässe überlappen oder verstärken sich. Das bedeutet beispielsweise, dass eine lesbische BIPoC-Frau gegenüber einem weißen Cis-Mann möglicherweise gleich drei u.U. in einander verschränkten Diskriminierungen ausgesetzt ist.

Die Anti-Diskriminierungsstelle des Bundes nennt ein typisches Alltagsbeispiel:

  • „Ein weiteres Beispiel sind rassistische Einlasskontrollen bei Diskotheken. Diese betreffen überwiegend junge Männer, die als migrantisch wahrgenommen werden. Hier wirken junges Alter, männliches Geschlecht und ethnische Herkunft der Betroffenen zusammen. Sie werden an der Clubtür abgewiesen, weil hier alle drei Dimensionen zusammenkommen.“

>> https://www.antidiskriminierungsstelle.de/DE/ueber-diskriminierung/was-ist-diskriminierung/diskriminierungsformen/diskriminierungsformen-node.html (Abrufdatum 15.04.2022)


Roboterbienen.

Diesen Begriff kenne ich von Maja Göpel:

  • „‚Es ist die Tragik der Moderne, dass wir auch gut funktionierende Dinge nicht so lassen können, wie sie sind, weil es das Wachstum schmälert‘, sagt Göpel. Ihr Lieblingsbeispiel sind die Bienen. Sie bestäuben Pflanzen kostenlos. ‚Das ist toll, aber so richtig verdient daran niemand‘, so Göpel. ‚Verkauft eine Firma jedoch Roboterbienen, die den Job nach dem Bienensterben übernehmen, wächst das Bruttosozialprodukt‘“ (zit. in Jung/Schießl 2020).

Maja Göpel erwähnt an andere Stelle, wer Auftraggeber für die Erfindung einer Roboterbiene ist und das ein Patent für eine beantragt hat: Walmart (vgl. 2020, 38). 

Quellen:


Krebsrisiko durch Verzehr von rotem Muskelfleisch von Rind, Schwein, Schaf, Pferd und Ziege und jegliche Wurstwaren.

Konkret beziehe ich mich auf den folgenden, im Jahre 2015 in der Süddeutschen Zeitung erschienenen Artikel:

Hier heißt es:

  • „Wie die Internationale Krebsagentur der Weltgesundheitsorganisation IARC am Montag mitgeteilt hat, will sie rotes Muskelfleisch von Säugetieren – also von Rind, Schwein, Schaf, Pferd und Ziege – in Zukunft als „wahrscheinlich krebserregend“ klassifizieren [zweithöchste Krebsklasse, gleiche Stufe wie Glyphosat]. Verarbeitete Fleischwaren wie Salami, Schinken, marinierte Steaks oder Brüh- und Bratwürstchen werden sogar als offiziell „krebserregend“ gelten [allerhöchste Krebsstufe, gleiche Stufe wie alkoholische Getränke, Tabak, Asbest, Röntgen- und UV-Strahlung]. Auch dann, wenn sie aus Geflügelfleisch hergestellt wurden.“

Wichtig zur Einordnung dieser Klassifizierung durch die Internationale Krebsagentur (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) der UNO:

  • „Krebserregend“ bedeutet NICHT, dass man auf jeden Fall Krebs bekommen wird. „Krebserregend“ bedeutet, dass der Stoff – in diesem Fall verarbeitete Wurstwaren – potenziell Krebs verursachen können.
  • „Wahrscheinlich krebserregend“ bedeutet NICHT, dass man wahrscheinlich Krebs bekommen wird. „Wahrscheinlich krebserregend“ bedeutet, dass der Stoff – in diesem Fall rotes Muskelfleisch vom Rind, Schwein, Schaf, Pferd und Ziege – nach derzeitiger Studienlage wahrscheinlich potenziell Krebs verursachen können. Dass diese zweithöchste Stufe alles andere als eine Entwarnung darstellt, wird verdeutlicht durch weitere Stoffe dieser Kategorie: Glyphosat und Acrylamid. (vgl. Verbraucherzentrale 2015 u. Zinkant 2015)

Dieser Artikel erläutert das statistische Risiko:

>> s.a. https://www.darmkrebs.de/ernaehrung-lebensstil/gesunde-ernaehrung/wissenswertes-ueber-lebensmittel/fleisch (Abrufdatum 14.04.2022)

>> s.a. https://handbuch-klimakrise.de/was-kann-ich-tun-moegliche-konkrete-verhaltensaenderungen-und-aktivitaeten/


Antibiotika-Resistenzen.

Biofleisch ist nicht teuer: Der hier aufgerufene Preis ist der reale/realistische Herstellungs- bzw. Verkaufspreis für Fleisch (vgl. Fisch), wenn kein Schmu betrieben werden soll.

Fakten und Zahlen zu Antibiotikaresistenzen siehe


Wer willst Du gewesen sein? Schreibe Deinen Nachruf auf Dich selbst, auch wenn Du noch Zukunft hast…

Die Idee, Bitte und Forderung an Dich, einen Nachruf auf Dich selbst zu verfassen, wurde konkret inspiriert von Harald Welzer, der in seinem m. E. äußerst lesenswerten Buch Nachruf auf mich selbst findet, dass wir uns zu fragen haben, wer wir – die Angehörigen der Entscheider:innen-Generationen – gewesen sein wollen. Die Idee an sich ist selbstredend nicht neu. Es gehört zu den immer wieder gelesenen Hinweisen in Beratungs- und Selbstfindungsliteratur, dass man sich selbst seine Trauerrede schreiben soll, um zu verstehen, wofür man eigentlich hier, auf der Erde ist, und wie man gern gesehen würde… was von uns bleiben soll, wenn wir nicht mehr sind. Welzer übernimmt dies und fügt den neuen Gedanken hinzu, dass wir uns auch als Gesellschaft klar darüber werden müssen, wer wir sind, sein wollen, gewesen sein wollen: Um auf diese Weise endlich kollektiv zu verstehen, dass wir Aufhören müssen mit den zweckfreien weltzerstörerischen Steigerungslogiken.

  • Welzer, Harald (2021): Nachruf auf mich selbst. Die Kultur des Aufhörens. Fischer.